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Von sprachlichen Schönheitsflecken in der Beauty-Werbung

Foto: Pixabay

Die Sprache, mit der die Kosmetik-Reklame operiert, reizt mich zu einem Aderlass.

Mein wahres Gesicht

Allem voran muss ich kurz klarstellen: Ich gehöre zu der Gattung Frauen, die am liebsten ungeschminkt durchs Leben streifen. Entsprechende Utensilien im Badezimmerschrank sind rar, meistens verklebt und vertrocknet – möchte man doch mal danach greifen. Wenn meine Tochter nach Nagellack bettelt, bin ich eine Enttäuschung, weil ich keinen Farbenrausch zu bieten habe. Und wenn ich vor einem Kosmetik-Regal im Handel stehe, erhellt sich mir selten, ob und wohin ich den Inhalt schmieren oder pudern sollte.

Mein kosmetisches Problem

Trotzdem möchte ich mich heute und endlich mal einem sprachlichen Phänomen dieser hübschen Branche widmen. Denn wann immer ich einen Kosmetik-Spot im Fernsehen konsumiere, produziere ich tiefe Stirn- oder breite Lachfalten.

Also habe ich wild und wahllos angefangen zu sammeln. Hier ein paar kleine, kostenfreie Pröbchen. Lassen Sie sie wirken: Die Sprachkosmetik aus der Welt der Schönen der schönen Versprechungen:

Wo ich garantiert nichts (richtig) verstehe:

Extrem vielversprechend oder einfach albern:

Logopädin dringend gesucht!

Die mag ich ein bisschen. Denn sie assoziieren Trink- oder Essbares.

Schiere Angst bekomme ich bei:

Geradezu primitiv im Vergleich:

Eine Million für diese wahnwitzige Wortarbeit:

Und der gehört übrigens noch dazu:

Noch ein letztes Fundstück:

iMatch Foundation Finder (als ein letztes findiges Matsch-Loch meiner bösen Schlammschlacht)

Alles Kosmetik? Keinen Schimmer!

Meine vage Ahnung

Welche Zielgruppe kann das aussprechen? Sich merken? Welche strategischen Unreinheiten müssen hier verbal kaschiert werden? Und wo finden sich in all diesen kunterbunten Wortkreationen die goldenen Regeln der Namensgebung?

Durchaus bekannt und in ihrer Wirkungsweise auch bewundernswert sind werbliche Wortschöpfungen, die Probleme aufzeigen, wo keine sind (wie der skandalöse „Gefrierbrand“ von Melitta Toppits), oder Probleme dramatisieren und dazugehörige Lösungen heroisieren („Nur die saugstärkste aller Windeln verhindert, dass aggressiver Urin manchmal stundenlang an der blütenzarten Babyhaut klebt“ – Pampers)

Auch Kosmetik möchte hier augenscheinlich kreativ werden.

Meine ungeschminkte Meinung

Wie oft erregen englischsprachige Claims in Deutschland die Marketing-Gemüter, weil sie gar nicht oder – oft noch schlimmer – missverstanden werden (Douglas – Come in and find out / Komm’ rein und finde wieder hinaus).

Wurde mal getestet, wer von den Damen versteht, was sie ins Gesicht pinseln? (Ich würde ja all zu gerne mal einem Gespräch unter Freundinnen lauschen, in denen Schminktipps ausgetauscht werden: „Also ich schwöre auf die Daywear Advanced Multi-Protection Anti-Oxidant Cremes SPF 15 von Estée Lauder.“, „Ihr müsst unbedingt mal den Ôscillation Powerbooster ausprobieren.“ – <spitze Schreie der Entzückung> – „Schätzchen, was ist das?“„Eine weiße, vibrierende Mascara-Basis, die das Wimpernwachstum anregt…“

Da bedient man sich nicht nur waghalsig und unreflektiert an den Sprachen fremder Länder – hier wird eine ganz eigene geschaffen. Eine Geheimsprache. Und nur Mitglieder eines mir verschlossenen Bundes scheinen sie zu verstehen. Oder ist die Wirkungsformel viel schlichter?
klein + teuer = hochwirksam + habenwollen (ganz gleich, wie das Zeug heißt)

Wie dem auch sei: Gewissenhaft und nachhaltig pflege ich meine Überzeugung, dass man sich als Texter in noch so fremde und befremdliche Thematiken so tief hineindenken kann und muss, dass man sie nach einem ebenso mühsamen wie befriedigenden Selbstreinigungsprozess in saubere und hübsche Worte zu fassen vermag. So getan mit biometrischen Messverfahren für computergestützte Diagnosen zur medizinischen Therapiefindung, mit Nanotechnologie und Antihaftbeschichtungen von Hightech-Gusspfannen, mit Plattensägetechniken für Schreinereien und Küchenbauer, mit Client-Management-Systemen, Depot-Servern und Fluchtweg-Steuerungseinheiten … Das muss doch mit Mal- und Spachtel-Produkten auch möglich sein!

Aber DAS kann ich mir (spätestens jetzt) wohl abschminken: Einen Auftrag für eine Kosmetik-Marke. Und wissen Sie was? Darauf verzichte ich nur all zu gerne. Weil ich es mir wert bin!

Make up your mind!