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10 Jahre Hürdenlauf im Rückblick

Foto: Shutterstock

Diese Woche stolperte ich über die Tatsache, dass ich vor ziemlich genau 10 Jahren die Bahn des Angestelltendaseins verlassen habe. Zeit für ein Glas eine Flasche Rotwein und sportliche Reflexion.

Etappe 0: Grund und Gründung einer freiberuflichen Existenz

Die Selbstständigkeit war – kurz und ehrlich gesagt – eine Notlösung. Der Grund lag im prallen Bauchgefühl der werdenden Mama und der Leidenschaft zum Job. Und zwar nicht zu dessen Titel, sondern zu seiner Tätigkeit. Halbtags würde ich niemals Markenstrategin in einer Agentur bleiben. Ich würde schleichend zum Projektmanager mutieren. Das wollte ich nicht.

So wurde ich also zum Schattenarbeiter. Der Firmenname? Eine Trotzreaktion! Auf erlebte Aktionen in Agenturen, bei denen mit viel Mühe und Einsatz schillernde Werbung erzeugt wurde, um damit auf Wettbewerben glänzende Preise zu kassieren. Der Markenkern wurde zugunsten der ruhmreichen Früchte oftmals ungeachtet ausgespuckt. Das schmeckte mir nicht. Bei der Arbeit einer Agentur geht es in meinen Augen nicht darum, als Dienstleister im Blitzgewitter der Medien zu stehen, sondern aus dem Hintergrund die Marke ins Rampenlicht der Märkte zu führen.

Etappe 1: Freunde, Freude und Frondienste

Die Visitenkarte ist noch nicht gedruckt, schon gibt es erste Aufträge. Wahnsinn! Freunde, Verwandte und Bekannte nehmen deinen neuen Lebensschritt freudig wahr und haben sogleich ihre Anliegen. „Könntest du mal kurz für mich …“ „Du kennst dich doch aus, seit Jahren habe ich das Problem im Geschäft…“ „Du bist doch so kreativ… ich finde da einfach keine Lösung… kannst du nicht mal schnell… ?“

Kopf und Schreibtisch füllen sich in kürzester Zeit. Das neue Geschäftkonto? Bleibt blitzeblank! Denn bezahlt wird mit einer guten Flasche Wein, einem kleinen Fresskorb und viel lauwarmem Händeschütteln. Die Freunde werden immer mehr, die Zweifel auch. Und weil man abends mit „Geschäftsfreunden“ über Konzepten hängt (statt mit Mann und Kind zusammen zu sein), kommt man auch gar nicht in die Lage, darüber nachzudenken.

Bei einem gutmütigen Menschen dauert so eine Phase dann schon mal zwei Jahre, bis man sich ein entschlossenes Nein hinter die Ohren schreibt, das man bei der nächsten Freundschaftsanfrage hervorzuziehen gedenkt.

Etappe 2: Vollgas mit angezogener Handbremse

Kaum ist man wieder frei für einen Blick über den Freundeskreis hinaus, sieht man die Spielwiesen, von denen man einst träumte. Und wird tatsächlich zum Spielen eingeladen. Endlich darf ich mein gewünschtes Schattendasein leben. Als Support im Hintergrund.  Zum Beispiel bei Agentur-Pitches. Teamarbeit, spannende Namen und Projekte, Ruhm für andere, Glück und etwas Geld für mich.

Daneben Kleinunternehmen und Mittelstand, die allem voran Werbematerialien beauftragen. Da ich mich als eine Art Agentur aufgestellt habe, werde ich auch so wahrgenommen. Ich ziehe mir im Hintergrund also gute Grafiker, die diese Jobs erledigen. Damit die Arbeit nicht nur hübsch aussieht, sondern auch markentechnisch sauber wird, erledigte ich strategische Vorüberlegungen ungefragt und en passant. So passiert die Entlohnung in der Regel auch mein Konto und landete wohlklingend im Geldbeutel der nachgelagerten Dienstleister. Denn wer will stundenlange Analysen und Gedanken zur Positionierung bezahlen, wenn er eigentlich ein Logo oder eine Imagebroschüre beauftragt hat?

Diese Jobs werden immer mehr. Und immer größer. Meine Kundenliste trägt beachtenswerte Namen. Und ich? Ich werde zunehmend zum Projektmanager und Jobvermittler für andere. Und ich habe wieder die Situation wie in den Agenturen zuvor – ich stehe für Ergebnisse ein, deren Güte ich nur begrenzt beeinflussen kann. Meine eigene Leistung bleibt unsichtbar und damit meist auch unbezahlt.

Irgendwie hinkt die Sache doch. Ich habe tolle Kunden, die aber nicht meine Kernleistung suchen. Oder deren Wert nicht honorieren. Den vielgehörten Tipp, ich solle prozentual an den Leistungen meiner vermittelten Jobs verdienen, ist sicherlich gut gemeint und richtig, aber nicht mein Ding. Naiv? Wahrscheinlich.

Es folgt eine grübelreiche Weihnachtszeit. Irgendwann leuchtet mein Fehler am Himmel der Erkenntnis auf. Und die Markenstrategin muss leicht schamvoll grinsen. Ich bin schlicht und einfach falsch positioniert!

Etappe 3: Spurt mit Rückenwind

Die Zeit zwischen den Jahren nutze ich also für einen Schuhwechsel mit neuem Profil. Ich korrigiere meine eigene Marke. Mit dem durchaus polarisierenden Namen Schattenarbeiter hatte ich – trotz anfänglicher Bedenken von mehreren Seiten – rundum positive Erfahrungen gemacht. Also blieb der Name erhalten. Aber das Bild der Agentur sollte verschwinden. Weg mit dem Eindruck, Schattenarbeiter sei ein Team unterschiedlicher Köpfe, an deren Front ich stehe. Schattenarbeiter bin fortan alleine ich. Mit dem, was ich am besten kann: Marken mit Wissen, Werten und Worten begleiten. Neues Logo mit meiner Silhouette, neue Homepage mit geänderten Inhalten. Alles geht im Januar online. Ich fühle mich befreit und bereit.

Und dann passiert das, was Marketingpäpste euphorisch auf Businessbühnen predigen: Die richtige Positionierung zieht die richtigen Kunden an. Und andere bleiben weg. Nämlich die, für die man der falsche Dienstleister ist. Die Anfragen, die seither auf den Kanälen meiner Firma landen, suchen das, was ich leisten kann und möchte. Und die Kunden sind bereit, für diese Arbeit angemessen zu bezahlen.

Etappe 4: Wer die Wahl hat, hat weniger Qual.

Meine Terminkalender sind voll, ich habe wundervolle Projekte und Herausforderungen und allem voran loyale und wertschätzende Kunden, mit denen ich eng und konstruktiv zusammenarbeite.

Dazwischen gibt es aber auch Kundenbeziehungen, in denen es knirscht. Ich bin eine unbequeme Beraterin. Stelle bissige Fragen, gebe ehrliche Antworten. Ungeachtet dessen, was mein Geschäftspartner vielleicht gerne hören würde. Ich sehe mich im Dienste der Marke, nicht der Diplomatie. Mancher Kunde hält das nicht aus. Und geht.

Das sind Schürfwunden, die ich natürlich künftig vermeiden möchte. Also: Wie hätte ich den Bruch vermeiden können? … Ich hätte mich mit meiner Meinung zurückhalten, Aufträge ohne all zu tiefes Hinterfragen ausführen und mittelmäßige Ergebnisse akzeptieren sollen. Das kann ich. Will ich aber nicht (mehr). Am Ende bilden die Ergebnisse einer solchen Zusammenarbeit schließlich auch meine Referenz. Wofür also will ich am Markt stehen?

Inzwischen zermartere ich mir nicht mehr so den Kopf über die 20% der beendeten Geschäftsbeziehungen, die auf falschen Erwartungen basierten. Im Gegenteil. Die ein oder andere beende ich auch mal aktiv selbst. Denn ich widme mich lieber mit 100%-iger  Motivation den anderen 80%, die genau dieses prüfende Auge und ehrliche Diskussion suchen. (Natürlich gibt es auch da die üblichen Momente, in denen die Augen mal rollen oder Unliebsames erledigt werden will. Dennoch!)

Noch einen Luxus, den ich mir leiste: Ich pitche nicht. Ich habe Verständnis für Agenturen, die diesen Weg gehen müssen, um ihre Aufträge zu generieren. Ich als Einzelkämpfer kann derartige Kraftakte aber nicht leisten, ohne dabei meine bestehenden Projekte zu vernachlässigen. Statt aufwändige Präsentationsmarathons zu absolvieren, setze ich mich mit Interessierten lieber einmal intensiv zusammen, demonstriere Denkweisen, erläutere Referenzen und beschnuppere Chemie. Die Erfolgsquote ist in meiner Erfahrung wesentlich höher – und nachhaltiger.

Etappe 5: Demut und Dankbarkeit

… und weiter hübsch die Hürden nehmen. 🙂

Fortsetzung folgt. 2022.

Übrigens: In jeder dieser Phase hörte ich Stimmen, die sagten: „Mensch Daniela, bei dem Einsatz würdest du doch im Vollzeitjob als Angestellte weit mehr Geld verdienen.“ Das ist richtig. Nach wie vor. Aber für meine Zufriedenheit die falsche Bahn.