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Ein Appell an die Bereitschaft zu neuen Lernkurven.


Ein Sprung in meine Kindheit.

Wir befinden uns in den 80er Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts. Leichtathletik bestimmt den Alltag meines jugendlichen Daseins – insbesondere der Hochsprung.

In dieser Disziplin wird man als Kind zunächst im sogenannten Schersprung ausgebildet – um Sprungkraft und das richtige Abspringen zu trainieren. Irgendwann erfolgt der Umstieg auf den Fosbury Flop. In Wettkämpfen kann man als Kind frei wählen, welche Technik man anwendet. Es zählt einzig das Ergebnis – sprich die Höhe, die man überspringt, ohne die Latte zu werfen.

Da ich mit meinem Schersprung auf Turnieren meist höher sprang als die anderen mit dem Flop, gab es für meinen Trotzkopf lange Zeit keinen Anlass, die Technik zu ändern – auch nicht auf die Predigten meines Trainers hin. Im Gegenteil, ich genoss geradezu die Bewunderung des Publikums, ob meiner Gabe, mit der „veralteten Technik“ auf Siegertreppchen zu gelangen.

Veränderung braucht Einsicht. Oder die Latte vor den Kopf.

Der Moment, da die Latte von meinen Wettbewerbern stets höher gelegt wurde und ich mit dem Altbewährten spürbar an Grenzen stieß, kam so sicher wie das Amen in der Kirche. Nachdem mein innerer Schweinehund dann einige Male mit der Nase böse an der Stange hängen geblieben war, entwickelte sich in meinem Kindskopf so etwas wie eine Einsicht.

Ich biss missmutig in den sauren Apfel. Denn der Umstieg auf den Flop bedeutet in gewisser Weise wieder bei Null anzufangen. Man startet eine neue Lernkurve und erlebt zunächst einen Einbruch seiner Leistung. Die folgenden Wettkämpfe fügten meinem Ego heftige Schmerzen zu. Natürlich waren die anderen bereits geübter im Flop und ich blieb an der Latte und auf den hinteren Rängen hängen.

Mein Trainer schaffte es, mich im wahrsten Sinne bei der Stange zu halten und half mir, auf mein Talent und meine Kraft zu vertrauen. Die waren mir ja geblieben. Es ging lediglich darum, sich mit Disziplin und Geduld (Öffz!) auf eine neue Technik einzulassen. Nach einem Jahr konnte ich mich dann wieder mit den anderen messen lassen und mir einen kleinen Traumtitel holen, bevor ich dieses sportliche Kapitel beendete.

Geblieben ist mir aus dieser Zeit ein geprägtes Stück Metall und viel wertvoller – die Erfahrung, die mich bis heute prägt.

Veränderungen erschrecken mich nicht mehr. Ich packe sie lieber früher als später an – sobald ich spüre, dass mein Entfaltungsraum enger wird.

Märkte verändern sich. Augen verschließen „iss nich“!

Dieses vielzitierte „Never change a running system.“ ist mit Vorsicht zu genießen. Natürlich geht es nicht um aktionistisches Hin und Her. Insbesondere nicht in der Markenführung. Aber auch ein System, das derzeit (noch) funktioniert, kann morgen ins Stocken geraten. Es gilt hinzuschauen und hinzufühlen. Das Umfeld sensibel zu beobachten und den eigenen Bewegungsfreiraum für Weiterentwicklung ehrlich zu beurteilen. Wird dieser spürbar enger, wird es Zeit über Veränderung nachzudenken und sie auch anzupacken. Egal wie unbequem das zunächst sein mag.

Solche Augenblicke erleben Marken und Unternehmen immer wieder – eingeläutet durch veränderte Techniken oder Medien, wie zum Beispiel in der Fotografie oder dem Verlagswesens. Oder durch neue Bedürfnisse in Zielgruppen – die irgendwann dafür sorgen, dass selbst so ein sattelfester Cowboy, der Jahrzehnte als Zugpferd für Marlboro funktionierte, in die ewigen Jagdgründe geschickt wird, weil er die neuen Zielgruppen und den Zeitgeist nicht mehr einfangen kann.

Wie lange die Lernkurve dauert, bis man wieder seine stabile Position im Markt eingenommen hat, ist unbestimmt. Sicher aber ist, dass “Augen verschließen” und “einfach weitermachen wie bisher” weder das Problem noch die Grenzen auflösen, an die man stößt. Die Liste der Beispiele aus der Praxis ist lang – und nun ergänzt um eine kleine Anekdote aus meiner Kindheit.